Eigentlich hatte ich gedacht, Saison ist zu Ende - Beine hochlegen – locker trainieren – und dann paar kleinere Läufe wie Runden„abknipsen“ in Bell in der Eifel ohne jeden Wettkampfstress. Und dann zum Abschluss bei Wind, Regen, Schnee oder Matsch der Silvesterlauf in Wehr.
Pustekuchen! Andrea erzählte mir so ganz nebenbei, dass sie sich für einen Halbmarathon angemeldet habe. Wo? In Essen? Am Baldeneysee? 15 Minuten entfernt von dem Wohnort meines Schwagers? Da war es mit meiner Ruhe vorbei. Obwohl ich eigentlich nicht besonders gerne große Umfänge trainiere, aber Wettkämpfe haben für mich einen besonderen Reiz.
Wie heißt dieser Halbmarathon am Südufer des Baldeneysees in Essen - Otto Blumensaat-Gedächtnislauf ? Falls es jemand interessieren sollte, wer dieser Otto Blumensaat war. Er war beruflich Buchhalter, und führte als solcher penibel ein Lauftagebuch. Danach ist er in 48 Laufjahren seit 1928 (!) 158000 km gelaufen, von 1110 Starts hat er 562 gewonnen, 113 Marathons gelaufen. Was mich am meisten beeindruckte war seine Marathonzeit: 2:36:09! Diese Zeit lief er 1965 im Alter von 54 Jahren!
Zurück zum Lauf. Er fand statt am Samstag Nachmittag um 14.05. Außer mir und Andrea wollten noch Dirk, sowie Nico und Marcus von Koblenz teilnehmen. Da ich bereits Freitag am späten Abend angereist war, konnte ich Samstag morgen noch richtig schön trödeln, währenddessen die anderen sich im dichten Verkehr über die Autobahnen Richtung Ruhrpott bewegten. Natürlich kam ich als letzter in Essen-Kupferdreh, dem Startort in der Nähe des Sees an. Nach langer Suche konnte ich endlich einen Parkplatz finden, der von der Sporthalle Kupferberg, doch mehrere Strasse weit entfernt war.
Neben dem Halbmarathon fand noch ein 10km Lauf statt, insgesamt hatte die Veranstaltung ca. 1000 Teilnehmer. In der Sporthalle war alles profimäßig organisiert wie bei einem großen Marathonlauf. Die Ausgabe der Startunterlagen war vorbildlich organisiert, und was für einen Volkslauf eher ungewöhnlich ist - es gab in der Halle eine organisierte Gepäckaufbewahrung. Meine Vereinsfreunde hatte ich schnell entdeckt.
Dann ab zum Warmlaufen, Strasse rauf und runter. Fertig! Noch fünf Minuten bis zum Start, der ungefähr 300 m von der Starthalle direkt am See erfolgte. Ich hatte kurzzeitig von unserer Gruppe keinen mehr gesehen, aber in der Startgruppe konnte ich Andrea, auch wegen ihrer roten Haarpracht, relativ wieder finden.
Schnell hatten wir uns verabredet, 5:20/min zu laufen, solange es geht. 5-4-3-2-1. Start!
Zu Beginn war es noch sehr eng, weil auf Grund der doch hohen Teilnehmerzahl alles ziemlich durcheinanderlief und der Weg entlang des Ufers an einigen Stellen sehr schmal ist . Wir bemühten uns nach Möglichkeit am Anfang im Gedränge keine Zeit zu verlieren, wollten aber auch nicht zu schnell anlaufen. Nach den ersten Kilometern stellten wir dann zufrieden fest, dass wir optimal im Zeitplan lagen.
Das Wetter, dass am Anfang des Tages nicht besonders freundlich war, wir rechneten eigentlich immer damit, dass es regnen würde, wurde immer besser. Es schien fast, als wenn irgendwann sogar noch die Sonne durchkommen würde. Andrea und ich waren uns schnell einig, wir hätten vielleicht noch eine Lage weniger anziehen sollen. Je länger das Rennen ging, umso wärmer wurde es uns.
Da kündigte uns ein Radfahrer bereits den Führenden an, der uns auf der Fünf-Kilometer Wendepunktstrecke bereits entgegenkam. Mensch, war der schnell! Im Ziel war er später ungefähr 45 Minuten vor uns ( Endzeit ca. 1:06:00). Davon waren wir noch lange entfernt.
Kurz nach dem ersten Wendepunkt nach der 5 km Marke war wieder eine Verpflegungsstation, ich wagte es kurz einen warmen Tee zu mir zu nehmen. Danach hatte ich Mühe Andrea wieder einzuholen. Das kostete Kraft, ich muss dass endlich mal trainieren – im Lauf zu trinken – bis heute fällt mir das sehr schwer. Der Lauf zurück in die Nähe des Startes zur 10 km Marke führte direkt an Biergärten vorbei oder auch mittendurch, in denen Leute sich das Spektakel der Läufer nicht entgehen lassen wollten, und dabei in aller Ruhe ihr Pils tranken - oder der Jahreszeit angemessen Glühwein. Daran wollten wir im Moment noch nicht denken.
Auf dem Rückweg kamen uns zunächst Dirk, später Nico und Markus entgegen. Letztere sind langsamer angelaufen. Ich rechnete aber damit, dass Nico versuchen würde im letzten Dritten nochmals zu beschleunigen.
Nach 15 km spürte ich langsam meine Beine. Meine Kondition war noch gut, die nützte aber nichts, wenn die Muskeln nicht mehr mitmachen. Sie begannen langsam zu schmerzen. Ich gönnte mir an der Verpflegungsstation eine kleine Pause, um einen Tee zu trinken, und ließ Andrea laufen. Jetzt musste ich mein eigenes Rennen laufen.
Da ich das Tempo bis km 19 halten konnte, versuchte ich nochmals zu beschleunigen, ich sah ja Andrea immer noch vor mir. Da wollte ich mich wieder ranziehen. Aber wie das so ist, genauso wie ich schneller lief, gab sie „Fersengeld“, sodaß der Abstand sich nur unwesentlich verkürzte. Wie vorhergesehen, kamen Nico und Markus noch von hinten herangeprescht.
Schließlich erreichten Andrea, Nico, Markus und ich innerhalb einer Minute zwischen 1:51:47 und 1:52:28 das Ziel und freuten uns gemeinsam über das erreichte gute Ergebnis. Nachdem auch Dirk mit 1:56: 36 eine persönliche Bestzeit lief hätten wir allen Grund gehabt dies auch gemeinsam entsprechend zu feiern.
Da ich allerdings versprochen hatte am abend noch mit der Familie die reizvollen Weihnachtsmärkte im Ruhrpott zu besuchen, konnte ich mich allerdings nicht mehr lange aufhalten. Schließlich gibt es noch was anderes als Bestzeiten hinterherzujagen. Zum Beispiel Glühwein mit Schuss in der einen Hand, und in der anderen Hand eine Backfischtüte.